Abschied

   

"Lieber Matthias,

als Du am 2. Juli 2015 mit einer privaten Facebook-Nachricht in mein Leben tratst, wir uns einige Wochen später zum ersten Mal trafen, konnte ich nicht erahnen, dass die nächsten vier Jahre die intensivste und spannendste Zeit meines bisherigen Lebens werden würde.

Deine unglaubliche Lebensleistung zog mich in den Bann. Von Rathen bis Meißen hast Du Deine Spuren hinterlassen, sei es durch das schweißtreibende Wiederaufbauen und Wiederbeleben von Wohnhäusern und kulturhistorisch bedeutsamen Objekten wie die Burg Alt-Rathen, der königliche Weinberg in Pillnitz, die Zschoner Mühle in Dresden oder die Klosterruine Heilig Kreuz zu Meißen, Dein Wirken im Ziegelwerk Huber oder Deine leitende Tätigkeit bei der Treuhandanstalt für die Auflösung und Privatisierung von Immobilien und Grundstücken der Staatssicherheit der DDR im Regierungsbezirk Dresden im Wert von 2,4 Milliarden DM.

Du warst eine der wenigen Leitfiguren bei der Besetzung und Abwicklung der Stasi-Hauptzentrale in Berlin und der Bezirksverwaltung in Dresden. Freund und Feind hast Du gleichermaßen fair und vertrauenswürdig behandelt. In Presse, Rundfunk, Fernsehen und bei den Kolleginnen und Kollegen am Runden Tisch wurdest Du dafür geschätzt und angefeindet.

Du hattest ohnehin goldene Hände. Deine mehr als 600 Schriftarten, die Du während Deiner Jugendhaft in Bautzen entwickelt hast, beeindruckten das Ministerium. Wahnsinnig schnell in Kornetzky-Manier hast Du Dir alte Techniken der Seidenmalerei angeeignet. Unverwechselbar sind Deine gemalten Bilder, Zeichnungen und geschaffenen Skulpturen bzw. Keramiken. Selbst vor einer fachlich versierten Entwurfsplanung eines Wolkenkratzers hast Du nicht halt gemacht. Deine Kenntnisse zur Geschichte waren einmalig und Deine Leidenschaft, alles um Dich herum in unzähligen Ordnern akribisch zu sammeln, zu archivieren.

Immer war Dein Herz warm. Dein letztes Hemd oder Deinen letzten Cent gabst Du weiter an Menschen, die dies dringender brauchten aus Deiner Sicht oder Dir sagten, dass sie es bräuchten. Deine Rosen kennt in Meißen fast jeder. Tausende Fotos teiltest Du mit anderen auf der Suche nach Licht, Wärme und Liebe. Du warst der Mittelpunkt heftigster politischer Auseinandersetzungen rechts und links der Mitte. Zeit Deines Lebens gab es mit Dir keine Ruhe, kein Stillstand, Abwarten und Taktieren.

Im Oktober 2016 machten wir uns gemeinsam auf den Weg, einen Film zu produzieren über Dein wahnsinniges Leben und über Deine besondere, aber auch gefährliche Gabe, wie die Klinik in Bad Liebenwerda Dir attestierte: bipolar gestört, manisch-depressiv, Himmel und Hölle, Genie und Wahnsinn, Fluch und Segen.

Hunderte Stunden waren wir mit und ohne Filmkamera unterwegs oder saßen zusammen, um zu plaudern. So lernte ich die anderen Kornetzkys in Dir kennen. Zunehmend verband uns eine tiefe Freundschaft und ein Filmprojekt, welches über 300 Menschen zusammenbrachte. Zur Filmpremiere wird der wichtigste Kinosessel unbesetzt bleiben.

Wir alle verneigen uns tief vor Dir mit größtem Respekt. Deine Stimme, Deine Hände und Dein Herz werden uns fehlen.

Gute Reise, lieber Matthias und lass bitte die Götter dort oben auch einmal zu Wort kommen.

Dein Frank und Filmteam 50 Uhr"

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